Wilhelm Wisser
Märchenforscher (1843 - 1935)
Wilhelm Wisser, Sohn eines Schuhmachermeisters, wuchs ab seinem 2. Lebensjahr bei seiner Großmutter in Braak bei Eutin auf. Seinen ersten Unterricht erhielt er in einer Landschule, dann besuchte er das Großherzogliche Gymnasium in Eutin. Anschließend studierte er Alte Sprachen und Germanistik an den Universitäten in Kiel und Leipzig. 1867-1870 war er Hauslehrer auf Gut Rothensande bei Malente, promovierte 1869 und wurde noch 1870 Gymnasial-Lehrer für Latein, Griechisch und Deutsch in Eutin. 1877-1887 wirkte er am Gymnasium Jever und kehrte dann nach Eutin zurück. 1894 wurde ihm der Professorentitel verliehen. 1902-1908 unterrichtete er am Gymnasium in Oldenburg (Oldg.), wo er dann in den Ruhestand ging und bis zu seinem Lebensende den Wohnsitz beibehielt.
Seine Eutiner Zeit ab 1887 begründete den Weg zum „Märchenprofessor“. In der damaligen „Literarischen Gesellschaft Eutin“ hielt er mehrere Vorträge zum Volksmärchen im Niederdeutschen. Es reifte in ihm der – zunächst erfolglose – Plan, eine Sammlung von Märchen anzulegen. Erst 1898 bekam er dann über den Eutiner Pastor Heinrich Aye Kontakte zu älteren Bewohnern der umliegenden Dorfschaften. Hier hörte er Geschichten in ihrem urwüchsigen Charakter und in originaler niederdeutscher/plattdeutscher Sprache. Wisser sammelte nun zwischen Fehmarn und Lübeck von rd. 240 „Alten“, insbesondere von sogenannten „kleinen Leuten“ (Tagelöhner, Kätner, Handwerker) plattdeutsche Märchen. Nach seiner Versetzung nach Oldenburg nutzte er jeweils die Sommer- und Herbstferien in Ostholstein für seine weitere Sammeltätigkeit. Ein historischer Schatz entstand! Mit welcher Mühsal das oftmals verbunden war, erzählte er in seinem Buch „Auf der Märchensuche“.
Standquartier für seine Sammlersuche war zeitweilig Gut Sierhagen bei Neustadt in Holstein, wo ihn Graf Carl Gabriel von Scheel-Plessen aufnahm. Seine beste Märchenfrau war Frau Christine Block aus dem Dorf Kröß in Holstein. Von ihr erzählte Wisser: „Christine, eine alte und gebrechliche Frau, erwies sich als eine Märchenerzählerin ersten Ranges und ist von meinen Erzählerinnen die Bedeutendste“.
Im Ruhestand kümmerte er sich um weitere Veröffentlichungen, denn bereits 1904 ließ er die als Kindermärchen geeigneten Geschichten unter dem Titel „Wat Grodmoder vertell`t“ herausgeben, natürlich in Nieder-/Plattdeutsch. Der Band wurde mit Zeichnungen des Oldenburger Malers Bernhard Winter illustriert, mit dem Wisser freundschaftlich verbunden war. 1913 und 1927 folgten dann 2 Bände für Erwachsene, die „Plattdeutschen Volksmärchen“. Wissers Märchen wurden später auch als selbständiger Band in die Sammlung „Die Märchen der Weltliteratur“ aufgenommen und damit auch international anerkannt! Eine im Auftrag des Reichsinnenministeriums erstellte Gesamtausgabe seiner Sammlung umfasst 2.500 Seiten!
1921 war Wilhelm Wisser in Oldenburg (Oldg.) zudem Mitbegründer der Niederdeutschen Bühne, heute „August-Hinrichs-Bühne“.
Wilhelm Wisser verstarb am 13. Oktober 1935 in Oldenburg (Oldb.). In unserer Region erinnern an ihn der Gedenkstein im Geburtsort Klenzau und in Eutin die Skulptur des „Dumm Hans“ am Rosengarten (Wilhelm-Wisser-Platz), die nach ihm benannte „Wilhelm-Wisser-Schule“ (Gemeinschaftsschule) und eine Straße seines Namens. Besonders erinnert die „Wilhelm-Wisser-Kate“ in Braak an ihn, wo er als Kind bei der Großmutter aufwuchs. Die Kate steht unter Denkmalschutz. Es finden dort regemäßig Veranstaltungen statt. Besonders beliebt sind die Oster- und Adventsbasare. Betreut wird die restaurierte Kate vom gemeinnützigen „Wilhelm Wisser Verein“.